Laut Beschlussantrag der rot-grünen Koalition im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vom April 2022 soll im Graefe-Kiez ein Verkehrsversuch durchgeführt werden, der die Rückgewinnung öffentlichen Raums für andere Nutzungen durch die Bewohner*innen ermöglicht. Dazu werden die Anzahl der Parkplätze reduziert und alternative Mobiltätsangebote geschaffen. Zum Parken soll das an der Grenze zum Nachbarbezirk Neukölln gelegene Parkhaus am Hermannplatz dienen (30 € pro Monat). Das Modellprojekt, das voraussichtlich im April 2023 startet, ist für ein halbes Jahr angesetzt. Es wird vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) wissenschaftlich begleitet.


Der Graefe-Kiez präsentiert sich mit seinen rund 20.000 Bewohnenden lebendig, bunt und multikulturell. Er erstreckt sich in Nord-Südrichtung ungefähr zwischen Landwehrkanal und der Urbanstraße sowie zwischen dem Kottbusser Damm im Osten und dem Urbankrankenhaus im Westen.
Die Idee dieses gründerzeitliche Altbaugebiet in Berlin-Kreuzberg klimagerechter und auf Kosten des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) sicherer zu gestalten, wird aber kontrovers diskutiert. Die in Presseartikeln angekündigte Reduktion von Parkplätzen oder Durchfahrtsverboten sorgt vorrangig bei Autobesitzer*innen für Unruhe. Noch ist jedoch nicht klar, wie umfassend der Versuch überhaupt durchgeführt wird, d.h. welche Straßen schließlich einbezogen sein werden und in welchem Umfang schlussendlich Parkplatzflächen reduziert werden. Derzeit befindet sich das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) in der Grundlagenermittlung. Dies dauert seine Zeit, weil sehr viele bestehende Rechtsvorschriften geprüft werden müssen. In jedem Fall sind in der Kooperation des Bezirksamtes mit dem WZB umfangreiche Informations- und Befragungsprozesse vorgesehen, um eine wissenschaftliche Auswertung ermöglichen zu können. Zudem sollen Bewohner*innen einbezogen werden, wenn es um die Umnutzungen von Parkplatzflächen geht. Um klimagerecht umzugestalten und auch der Überhitzung des Wohngebiets im Sommer entgegenzuwirken, wäre mehr Grün wünschenswert. Zugleich könnte mehr Platz für Bewegung und Spiel entstehen. Selbstverständlich wird nach wie vor Lieferverkehr möglich bleiben und auch der Zugang für mobiltätseingeschränkte Personen.
Weitere Informationen zum Vorhaben lassen sich den Antworten der für Verkehr zuständigen Bezirksstadträtin Annika Gerold (Die Grünen) auf eine große Anfrage der Linksfraktion in der BVV entnehmen.